Jesus, der Jude aus Galiläa
Nie, vielleicht nur als Kind, hatte ich einen Allwissenden als Gesprächspartner akzeptiert. Ich liebe es zu handeln und spreche wenig, und nur dann wenn es notwendig ist.
Nie wollte ich mich mit Scharlatanen umgeben, ich zog es immer vor, mit Handwerkern zu arbeiten, mit ihnen zu schwitzen, um etwas Konstruktives zu schaffen.
Mein ganzes Leben lang habe ich versucht, mich mit Menschen zu umgeben, die arbeiten und sich kontinuierlich weiterbilden: Wissenschaftler, Techniker, Handwerker, mit denen ich über konkrete und echte Probleme sprechen kann, um eine Lösung zu finden.
Kommunikation bedeutet für mich, sich gegenseitig ein Geschenk zu machen, und deshalb dient das Gespräch dazu, die eigenen Gedanken auszudrücken, sie mit denen der Anderen zu vergleichen, um so einen Konsens zu finden, um zu einer konkreten Lösung zu gelangen.
Falls wir beiderseits zu keiner Lösung gelangen sollten, erkennen wir die eigenen Grenzen, wir lachen darüber, über die eigene Dummheit, und die eigenen Schwächen, die sich in konkreten Situationen ergeben.
Wenn nicht der konkrete Wille vorhanden ist, konstruktiv zusammen zu arbeiten, so braucht es keine Tautologien, es ist vorzuziehen sich dumm zu stellen, und seinen eigenen Weg zu gehen.
Jahrelang habe ich, in aufklärerischer Art und Weise versucht, zwischen Geschwätz und Wahrheit zu unterscheiden und war immer davon überzeugt, dass es besser sei zu schweigen.
Auch wenn immer alle sprechen wollten, ich schwieg, arbeitete allein, sowohl als Gelehrter als auch als Handwerker, beide Tätigkeiten während des Tages abwechselnd.
Wenn aber das Schweigen allein nicht genügte, so war ich dazu gezwungen zu schreiben, um die konkreten Früchte meiner Arbeit zu zeigen.
In Exremfällen musste ich mich während meiner 45-jährigen Forschungsarbeit von anderen isolieren, mich in Meditation, Einsamkeit und in handwerkliche Arbeit flüchten.
Gegenüber dem unsinnigen Geschwätz der Anderen, vor allem dem von Politikern und Priestern, wird das Schweigen zur wortgewandten, vernünftigen Rede, zu einem wirksamen und eklatanten Beispiel, es wird zu einer Methode.
Auf jeden Fall vermied ich immer die Allwissenden, diejenigen, die rationale Lösungen anstreben und so zu einem dogmatischen Resultat kommen.
Daher lehnte ich leere Predigten klar ab und bin nie jenen Menschen gefolgt, die glauben alles zu wissen und Wege beschreiten, überzeugt davon das Wissen zu besitzen, das letzte Wort zu sprechen, oder über alles zu allen zu sprechen, um sich in Szene zu setzen.
Die Reden Jesus’ haben mich schon seit meiner Kindheit fasziniert, deshalb habe ich schon früh begonnen, diese in aramäischer Sprache zu lesen. Ich liebte auch die griechischen Versionen, obwohl ich sie in italienischer Übersetzung las, mehr als die lateinischen, wegen der Zweideutigkeit aus der romanitas christiana.
Das göttliche, allumfassende Wort Jesus‘ hat also meine Kindheit genährt, als ob das göttliche Wort ein lebendiger Körper wäre, da es ein universeller Wert ist, etwas Ewiges und Festes, immer und in jeder Situation , zu jeder Zeit und überall, da es die Offenbarung der Wahrheit eines Gottvaters ist, der den Sohn in eine historische Epoche gesandt hatte, um die Menschheit von der Erbsünde zu erlösen, die Adam begangen hatte.
Als ich herausfand, dass es keine Heilige Schrift gibt, sondern nur die priesterliche Interpretation als Exegese und Allegorie, habe ich einen anderen Jesus entdeckt, einen einzigartigen Mann, der über alles redet, ohne aus eigener Erfahrung zu sprechen, ein spektakulärer Theoretiker, der durch rhetorische Arbeit jahrhunderte lang konstruiert wurde: Jesus ist ein Mann, Jude aus Galiläa, Kayin, als Messias gepriesen, der gegen die in Judäa herrschenden Römer kämpfte, gekreuzigt wurde, und, wie viele andere Aramäer, als Märtyrer starb, um die Toralehre zu verteidigen.
Die Probleme sind zahlreich und für mich waren fast alle unlösbar, aber einige sind mir klar geworden und ich konnte sie lösen. (Vgl. Jehoshua o Jesous? Maroni, 2005; Ma, Gesù chi veramente sei stato?, E-book Narcissus 2012; Per una conoscenza del primo cristianesimo, E-book Narcissus 2012).
Die Bibel und das Evangelium sind menschliche Werke, die in bestimmten historische Epochen verfasst wurden und sie sind ganz anders, als die, die uns von den Kirchenvätern überliefert wurden. Die Heilige Schrift muss also genau so wie alle anderen literarischen Werke gelesen werden, ohne Unterschied.
Bibel und Evangelium enthalten keinen einzigen heiligen Buchstaben, sie sind ein menschliches Werk, das geschaffen wurde, um eine bestimmte Nachricht zu vermitteln und die dann nachträglich mit den Zusätzen des Herrn versehen wurden, der jeweiligen Tradition entsprechend. (Vgl. Il politico o Giuseppe von Filone E-book Narcissus, 2012).
Ich habe daher aufgehört mich mit den logia Mathias’ zu beschäftigen und habe begonnen mich mit der Figur Jesus, dem Juden, dem Messias und seiner Geschichte als aramäischer Galiläer auseinanderzusetzen.
Nachdem ich Licht ins biblische System gebracht hatte (über den ägyptischen Kontext von Josef und Moses, über den kanaanäischen von David und über den persischen von Esra) mit den Übersetzungen von Filones In Flaccum , Legatio ad Gaium und Il politico o Giuseppe, Werke, die als E-book erschienen sind und „La vita di Mosé, das noch nicht herausgegeben wurde,
habe ich die Bedeutung von archaiologìa iudaiké genauer präzisiert, als ich mich mit den Schriften von Flavius beschäftigte, das I und II Buch, deren Vorwörter sehr aufschlussreich sind, was die aramäische und die ägyptische Kultur des II und I Jahrtausend vor Christus betrifft, vor allem was das Nomadenleben der Hapiru/Juden betrifft – das II (letzter Teil), III und IV Buch über das Leben Moses’, Basileus nomothétes, archiereus und prophetes und speziell durch die Übersetzung der Bücher XVIII, XIX und XX, die sehr aufschlussreich und nützlich sind, um das Judentum im römischen Zeitalter zu verstehen.
Ich hatte Zweifel, dass das Evangelium nicht authentisch sei, da die Figur Jesus’ nicht als historische Figur beschrieben wird, sondern in einer Art und Weise manipuliert wurde, um in moralischer, sozialer, wirtschaftlicher und politischer Hinsicht nützlich zu sein – jede einzelne Episode, jede Geste und sogar jedes einzelne Wort des Evangeliums dienten dazu.
Als erstes habe ich mich vergewissert, dass die Worte (sicherlich nicht die logìa) Jesus’ nicht von ihm selbst stammen, einzig und allein aus dem Grund, da er kein Rabbi war, sondern Handwerker, und daher kein Mann, der in einem traditionsverbundenen System wie dem hebräischen das Recht hatte, öffentlich zu sprechen. Hier begann mein langes Wortstudium zu maestro/didaskalos und tekton/Kayn, um das testimonium flavianum besser zu verstehen.
Dann habe ich bewiesen, dass die Werke Jesus’ paradoxa erga sind, aber es bleiben immer Werke eines Handwerkers, ein Kayin, der so berühmt wurde, dass er von seinen Anhängern ( es waren vor allem Handwerker/tecnitai, die zu tausenden mit ihm zusammen arbeiteten) zum Messias gewählt wurde, auch weil er ein gesetzestreuer Jude war.
Die Studien zum griechischen Wort „Christos“ und zur nationalistischen Aktion gegen die Römer, haben mich angeregt und autorisiert von basileia/ Malkut im Gegensatz zur basileia von Herodes zu sprechen, der vom Senat vorgeschlagen und vom Imperator nominiert wurde, der aber die Herrschaft von Jesus (maran), im Zeitraum vom Osterfest des Jahres 32 n. Chr. bis zum Osterfest 36 n. Chr. nicht als legitim anerkannte, der von Artabanos dem III. und anderen Königen der parthischen Allianz gewählt wurde.
Das erklärt, warum Christus der Majestätsbeleidigung beschuldigt und gekreuzigt wurde, starb und somit die Herrschaft des Messias’ endete (Malkuth ha Shemaim).
Die christliche Erklärung des Todes und der Auferstehung nach Paulus, die der der Anhänger des Gottesreiches (Basileia toû theoû), entspricht, steht im Kontrast zu der nasiräischen Erklärung von Jakob, Nachfolger und leiblicher Bruder Jesus’, dessen antirömische, aramäische Aktionen im Kampf gegen die Sadduzäer, die Herodianer, und auch gegen pharisäische Randgruppen, aber in enger Verbindung zu den Essenern und den Therapeuten, bis zu seinem Tod durch Ananus dem II andauern (vgl.www.angelofilipponi.com Giacomo e Paolo und vgl. Filone,Quod omnis probus e Vita contemplativa, e.Book Narcissus 2016).
Der Tod Jakobs ist der Anfang vom Ende Jerusalems angesichts des jüdischen Krieges, der Zerstörung des Tempels durch die Flavier, das neue Herrschergeschlecht im Römischen Reich.
Die Nasiräer des Himmelreichs – Basileìa tōn ouranōn – stehen in erster Reihe im Krieg von 66-73, in dem von Kitos und in der Revolte von Shimon Bar Kokba von 134 bis 136 unter Hadrian und sind immer Teil der jüdische Tragödie, Integralisten bis zum Tod, aus dem Römischen Reich vertrieben (vgl Giudaismo romano I, E-book Narcissus 2012) ….
Anders ist die Geschichte der Christianoi aus Antiochien, Anhänger Paulus‘, die sich im Römischen Reich integriert hatten, sich dank des Diözesansystems von Onias verwurzelt haben, sich in zahlreiche Sekten aufspalteten und in die Herzen der Bevölkerung, der Plebejer, eingedrungen sind, die groβartig von episkopoi und dioichetai geführt wurden, die keine steuerlichen Abgaben an das Römische Reich leisteten, auf Grund der kirchlichen Organisation (vgl.Giudaismo romano II, E.Book Narcissus 2012).
Nach einer Phase der Illegalität (religio illicita, dannabilis superstitio), distanzieren sich die Christianoi aus Antiochien vom Judentum und stellen sich eine neue Lebensart in geschlossenen Gemeinschaften sicher, ohne Steuererklärung, ohne Steuern, da sie keine Bürger des Römischen Reiches waren (cives romani), sondern Bürger eines anderen Reiches, eines göttlichen Reiches, das ihre Heimat ist und die die Hoffnung auf ewiges Leben hegen, was unmöglich für ein sterbliches Geschöpf ist.
Die Christianoi aus Antiochien überlebten die Verfolgungen des III. Jahrhunderts und die durch Diokletian fast unbeschadet. Sie wurden durch Konstantin wiedervereinigt, der die Reichtümer der bischöflichen Banken gut zu nützen wusste…
Von da an beginnen die Christianoi des Gottesreiches die eigene Geschichte einer religio licita, die im Stande war auch das andere Reich, das Himmelreich einzuschließen und somit auch die Figur Jakobs, um so eine religio triumphans zu schaffen, auch dank Theodosius und seiner Söhne (vgl. Giudaismo romano III, ein noch unveröffentlichtes Werk, aus dem Auszüge in vielen Artikel zitiert wurden; zu finden unter www.angelofilipponi.com)
Die jüdische Religion gelangt in eine Situation echter Unterlegenheit gegenüber der großen Kirche (Ecclesia triumphans), als die Verfolgung durch die christliche Religion, die mittlerweile Staatsreligion des Römischen Reiches geworden ist, begann, vor allem im Orient, in Alexandrien…
Die privilegierte Lage im V und VI Jahrhundert des Christen im Westen gegenüber der Heiden und Juden, die aber die Mehrheit stellten, ist einzigartig: das wird auch durch die registri von Gregorius Magnus (540 – 604) deutlich, aus denen hervorgeht, dass dem Staatsbürger alles gestattet war, weil er dominus, aristocratico war, nach dem Privileg der domus anicia…
Den Juden hingegen wurde es verboten neue Synagogen zu bauen, Sklaven zu halten und öffentliche Ämter anzunehmen, die Beschneidung von Heiden und Christen wurden untersagt.
Im Großen und Ganzen war aber die Lage der Juden, trotz der Verbote nicht negativ, da sie durch das römische Gesetz geschützt waren.
Da im gesamten Weströmischen Reich Juden lebten, und ihre finanzielle Lage, die eines reichen Mannes war, waren sie oft Landbesitzer. Gregorius hebt hervor, dass Christen oft unter der Macht von Juden standen, sowohl als Land- wie auch als Erbpächter, und ihre regulären Abgaben leisteten. Die Juden behandelten ihre christlichen Pächter auch besser als die Christen ihre Pächter behandelten.
Gregorius unterstreicht auch die Zusammenarbeit der Juden mit den römischen Behörden, sowohl im westgotischen Spanien als auch in Gallien.
Der Pontifex erkennt, dass die Juden die Ersten waren, die die göttliche Botschaft erhielten, vor allem die Prophezeiung , deshalb mussten sie toleriert und im System behalten werden , da sie testes veritatis waren. Er fügt auch hinzu, dass viele glauben, dass das Gottesreich nicht realisiert werden kann, solange die Juden nicht konvertiert sind…, da er sich der Figur Jesus Christus’, Jude aus Galiläa, noch bewusst ist.
Bis zu Karl dem Grossen und den Ottonen werden die Juden als testes veritatis betrachtet, als Kenner der göttlichen Botschaft, Menschen die zu konvertieren sind.
Im 11. Jahrhundert wurde aber ein Richtungswechsel in der Kirchenideologie bemerkbar, der von der großen Klosterreform des Verzichts und der Weltflucht, von Augustinus inspiriert, bis zur Welteroberung geht, und so wird auch das Judentum Objekt der Verfolgung…
Dank Gregorius dem VII(1010/20-1085) und seinem theokratischen Ideal und später durch die Praxis des politischen Papsttums des XIII Jahrhunderts und dem proklamierten Heiligen Krieg der Kreuzzüge, zerreist die kulturelle römische Einheit, die der Islam und das Christentum bis zu diesem Moment noch beibehalten hatten…